Haushaltsrede

Ein kritischer, aber keineswegs Panik verbreitender Blick auf unsere Finanzen sollte auf keinen Fall die Begründung für Investitionsstau liefern und zu unreflektierter Ressourcenverschwendung führen!

Rede unseres Fraktionsvorsitzenden August Wagner zum Haushalt 2021.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Rein,
werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir möchten unsere Haushaltsrede in dieser angespannten Zeit mit einigen positiven Ansichten beginnen. Die Corona-Pandemie ist auch an Breisach nicht spurlos vorbeigegangen. Im Frühjahr und jetzt im Herbst waren die Infektionszahlen im Ort vergleichsweise hoch und teilweise auch beunruhigend. Beide Male hat die Disziplin und das Verantwortungsgefühl der Bürger*innen sowie die Appelle der Stadt und vor allem von Ihnen, Herr Bürgermeister Rein, die Situation gewendet. Dafür ein herzliches Danke-schön. Besonders erfreulich ist dabei, dass wir alle aus den Erfahrungen im Frühjahr gelernt haben und die Grenzen im Herbst offen geblieben sind.
Wie erwartet hatte die Stadt Breisach, wie viele andere Städte auch, in diesem Jahr durch die Pandemie mit Einbußen bei den Steuereinnahmen zu rechnen. Allerdings zeigt sich auch, dass die versprochene Unterstützung von Bundes- und Landesregierung bereits greift und dadurch die Spitzen etwas abgemil-dert werden. Dies und die zuverlässig umsichtige Arbeit der Finanzzuständigen bei der Stadt können uns mit Zuversicht in die nächsten Jahre blicken lassen.

Ein weiterer Dank geht an den neuen Beigeordneten der Stadt, Herrn Carsten Müller. Mit Ihrem Blick auf die Dinge haben Sie bereits einige positive Akzente für die Zukunft gesetzt. Diesbezüglich möchten wir die Einholung von Zuschüssen erwähnen, die den Haushalt immer wieder erheblich entlasten. Jüngster Erfolg ist die Förderung der Renovierung des Schwimmerbeckens im Waldschwimmbad, die zu einer Kostenreduktion von 50 % führt. Und betreffend Zuschüssen nehmen wir Sie, Herr Bürgermeister Rein, beim Wort, sich intensiv um eine finanzielle Unterstützung für die notwendigen Sanierungen der Stadtmauern beim Land zu bemühen.

Wir erwähnen diese Punkte aus zweierlei Gründen. Zum einen sollte immer das ganze Paket betrachtet werden. Die schwierige Situation im Haushalt, sprich die Herausforderungen, waren uns zum Teil schon seit Jahren bekannt und können wie die aktuelle Situation in der Pandemie auch nicht beeinflusst werden. Die Notwendigkeit der Schulsanierungen, mit 9 Millionen Euro veranschlagt, sind nicht nur dem Gemeinderat, sondern jedem Einzelnen bis hin zu den Erstklässlern bewusst.
Ähnlich sieht es mit der Sanierung der Stadtmauern aus, deren maroder Zustand nicht nur den geplagten Anrainern, sondern jeder Einwohnerin und jedem Einwohner von Breisach mit sorgenvollem Blick bewusst ist. Beide millionenschweren Aufgaben stehen seit Jahren auf der Agenda der Stadt, sie zwingen den Haushalt etwas in die Knie und sollten sicherlich nicht von der Stadt alleine getragen werden. Hier werden umfassende, umsichtige und nachdrückliche Interventionen notwendig sein. Wir erinnern Sie, Herr Bürgermeister Rein, nochmals daran, auch die Fraktionen mit ihren Verbindungen in die Politik mit ins Boot zu holen, um Breisach die bestmögliche Unterstützung zukommen zu lassen.
Die Corona-Pandemie 2020 hat gezeigt, dass die Verwendung der Haushaltsmittel in erster Linie eine Entscheidung der Politik ist. Für alles, was politisch gewollt ist, finden sich auch Finanzierungsmöglichkeiten.
Wie gesagt, die notwendigen Investitionen, verbunden mit Einbußen im Steuerbereich, die eventuell in der Zukunft liegen, können wir nicht beeinflussen. Aber die zuerst genannten Punkte zeigen einen positiven und vorwärtsgewandten Weg in die Zukunft auf.
Auf die Stadt und ihre Bürger*innen kommen aber noch ganz andere Aufgaben zu, deren Ausmaß wir noch gar nicht abschätzen können. Der Klimawandel wird noch Thema sein.

Der positive oder besser gesagt differenzierte Blick auf die Situation soll auch einer Tendenz vorbeugen, die wir in der bisherigen Darstellung der Haushaltssituation in Öffentlichkeit und Presse mit Besorgnis sehen. Sie haben, Herr Bürgermeister Rein, in Ihrer Haushaltsrede in der letzten Gemeinderats-sitzung die finanzielle Situation der Stadt als kritisch und im Ausmaß der Verschuldung als von Ihnen noch nie erlebt dargestellt. Sicherlich, die Fakten liegen auf dem Tisch, wir haben große Investitionen vor uns, die wir nicht mehr aufschieben können. Wir werden deshalb auch einen höheren Kredit als bisher aufnehmen müssen (7,5 Millionen Euro) und steigern damit wie schon in den Vorjahren die Pro-Kopf-Verschuldung erheblich. Sie sehen in Ihren Berechnungen für die nächsten Jahre sogar eine noch höhere Kreditaufnahme als notwendig an. Nun, wir haben alle keine Kristallkugel. Uns war es wichtig, zunächst aufzuzeigen, dass es auch positive Entwicklungen gibt, so ist auch bei der Finanzierung der Stadtmauern noch nicht das letzte Wort gesprochen. Es zeigt sich dabei, dass alle Verantwortlichen, hier nehmen wir uns als Gemeinderät*innen nicht aus, in anderen Dimensionen denken müssen.

Daraus resultiert allerdings auch unsere Besorgnis. Ein kritischer, aber keineswegs Panik verbreitender Blick auf unsere Finanzen sollte auf keinen Fall die Begründung für Investitionsstau liefern und zu unreflektierter Ressourcenverschwendung führen. Auf den ersten Punkt gehen wir implizit ein, wenn wir notwendige Investitionen für die Zukunft ansprechen.

Zum Punkt Ressourcen:
Eine finanzielle Defizitlage der Stadt zwingt nahezu den Gedanken auf, dass die Stadt sich mit Veräußerung von Vermögen, sprich Liegenschaften und damit der Ausweisung weiterer Bau- und Gewerbegebiete, von Schulden freikaufen könnte. Davor möchten wir ausdrücklich und dringend warnen. Wir schlagen vor, umfassend zu prüfen, welche weiteren Einnahmemöglichkeiten Kommunen generieren können (z. B. regenerative Energien). Wir werden uns in den Gemeinderatsbe-schlüssen der nächsten Jahre sehr kritisch einmischen und ein Auge auf die Gesamtsituation werfen. Wenn wir von der Zukunft der Stadt, der Bürger*innen, unserer Kinder und Kindeskinder reden, dann reden wir von einer Zukunft, die jenseits der Amtsperioden der meisten von uns liegt. Wir dürfen, sollen und können Entscheidungen nicht nur für die nächsten zwei bis drei Jahre oder bis zur nächsten Wahl denken, sondern brauchen dringend ein Zukunftskonzept für die Stadt, das 20 bis 30 Jahre vorausdenkt. Denn dann werden wir automatisch ganz andere Entscheidungen treffen. Deshalb ist es uns im nächsten Jahr vor allen Dingen wichtig, dass wir die Haushaltsabrechnungen der letzten Jahre vorgelegt bekommen. Zudem schlagen wir vor, uns in einer Klausursitzung mit dem Gesamtvermögen der Stadt zu beschäftigen und einen langfristigen Plan für eine gezielte Veräußerung von Liegenschaften mit allen Beteiligten aufzustellen. Es ist unsere Pflicht als Verantwortliche für die Stadt gegenüber den Breisacher Bürger*innen offenzulegen, wie wir mit ihrem Vermögen in den nächsten Jahrzehnten umgehen wollen.

Zum Thema Gewerbeflächen bleibt abermals zu sagen, nicht die Quantität macht den Outcome, sondern die Qualität. Wir können noch endlos Natur und Landwirtschaftsflächen verbauen und versiegeln – zwischen den Ortschaften gibt es ja noch viel freie Fläche –, was nützen uns aber neue Gewerbegebiete, in denen sich wenig steuerrentable und dafür aber flächenverbrauchende „Unternehmen“ mit, überspitzt gesagt, drei Mitarbeitern ansiedeln? Auch hier: Umdenken ist gefragt. Schauen wir doch mal über den Teller-/Stadtrand in andere Gemeinden. Wie gehen Nachbargemeinden mit diesem Thema um, Beispiel Umkirch und Ansiedlung von AHP Merkle. Hier sind es die Bürgermeister selbst, die aktiv werden und Kontakte in die Wirtschaft knüpfen. Dies kann keine Beraterfirma, heißt sie nun NB oder badenovaKONZEPT, allein leisten. Vielleicht sind Sie, Herr Carsten Müller, in den Startlöchern für innovative Veränderungen?

Was nun den Haushalt der nächsten Jahre angeht, so beschäftigen uns vorrangig zwei Themen, die eng miteinander zusammenhängen. Zunächst zum übergreifenden Thema Klimawandel und Klimasituation in der Stadt Breisach.

Klima- und Umweltschutz:
Inzwischen haben zahlreiche Städte Klimanotstände ausgeschrieben, wir möchten den Weg eines vorwärtsgerichteten Blicks durch eine Klimaoffensive beschreiten. Nichtsdestotrotz sehen wir, sobald wir die Liste unserer bisherigen Aktionen betrachten, dass in diesem Punkt noch nicht viel geschehen ist. Hier müssen wir die extrastarken Brillen aufsetzen und dürfen uns nicht selbst mit kleinen Teilerfolgen in Sorglosigkeit hüllen.
Der Haushalt für die nächsten Jahre ist ganz klar, es sind nur marginale Summen für dieses Thema eingestellt. Die zahlreich stattgefundenen Veranstaltungen der Stadt zum Thema Klimaschutz, mit teurer Unterstützung begleitet, haben noch nicht zu relevanten CO2-Einsparungen geführt. Als größtes konkretes Ergebnis bleibt die Umstellung auf LED.
Das Thema Klima- und Umweltschutz braucht unsere ganze Aufmerksamkeit. Wenn wir bei unseren Investitionen den Klima- und Umweltschutz in unserer Stadt nicht mitdenken, handeln wir weder zukunftsorientiert noch finanziell verantwortungsbewusst. Wir schlagen vor, zeitnah und in regelmäßiger Abfolge das Thema Umwelt- und Klimaschutz im Gemeinderat und in Klausurtagungen gemeinsam mit der Umweltschutzbeauftragten zu bearbeiten, einen klaren Zeitplan zu entwickeln und spätestens im nächsten Haushalt entsprechende Summen einzustellen, die die Weichenstellung verdeutlichen.

Eine positive Entwicklung in dieser Hinsicht sind neu formulierte Auflagen in Bezug auf Klimaschutz, die bei den letzten Beschlüssen in neuen Bebauungsgebieten schon umgesetzt wurden. Wir müssen aber noch wesentlich deutlicher werden und brauchen vor allen Dingen ein Gesamtkonzept, das wir als Stadt auch nach außen ausweisen können. Gewerbetreibende und Bürgerinnen sollten hier nicht immer als Antipoden gedacht werden. Mittel- und langfristig macht es eine Stadt unattraktiv, wenn es im Bereich der Klimaveränderung keine Perspektive gibt. Zahlreiche Gewerbebetriebe in anderen Städten haben diese Notwendigkeit bereits erkannt. In der Planung für Neuansiedlungen sollte dieser Aspekt ganz vorrangig berücksichtigt werden. Wir brauchen Gewerbe, das sich für die Stadt und seine Bürger*innen – und das heißt in der Zukunft für das Klima in der Stadt – mitverantwortlich fühlt.

Wenn man als Fraktion die Haushaltsrede schreibt, dann blickt man immer auch zurück ins letzte Jahr. Was war uns wichtig, was haben wir erreicht. Wenige Themen aus dem letzten Jahr sind abgehakt worden, Beispiel Schulsanierung. In der Reflexion wurde uns dagegen deutlich, dass wir vieles aus dem letzten Jahr immer noch auf der Agenda sehen:
Breisach hat zu wenig grüne Biomasse, um die Stadt abzukühlen. Erfreulich war die Baumscheibenaktion der Anwohnenden der Zeppelinstraße, der Stadt, des NABU Breisach und der Evangelischen Kirche, die aus unattraktiven, biologisch wertlosen geschotterten Baumscheiben kleine blühende Refugien für Tiere und für das menschliche Auge gestaltet haben.
Allerdings fehlen im öffentlichen Grün überall hochwachsende, standorttypische, schattenspendende Bäume. Zwischen Wohn- und Gewerbegebieten gibt es keine Vegetationsstreifen. Die Schottervorgärten und Steinwüsten vor Industriegebäuden haben nicht sichtbar abgenommen (s. BadenCampus), teilweise sogar zugenommen (s. neues Wasserwirtschaftsamt). In diesem Zusammenhang möchten wir auch auf das naheliegende Thema Marktplatz eingehen.

Marktplatzgestaltung:
Entgegen unserer Vorstellung und Meinungsäußerung ist aus dem Marktplatz eine weitere Steinwüste in der Stadt geworden – etwas aufgefrischt durch Wasserspiele. Durch magere, dürre und etwas armselig wirkende Kübelpflanzen wird die Wirkung eher noch betont. Kontinuierlich wird vermutlich jeder von uns auf diese Situation angesprochen.
Abgesehen von einer optischen Verbesserung sind viele Nachteile entstanden, denen wir uns stellen müssen. Die helle Fläche blendet im Sommerhalbjahr extrem, sie heizt sich übermäßig auf und es gibt keinerlei Schatten. Große Teile der Innenstadt sind nun versiegelt.
Deshalb ist beim Marktplatz die Beschattung durch Sonnensegel und Begrünung durch Bäume und Sträucher eine wichtige Aufgabe für das nächste Jahr. Die Aufstellung der Kübelpflanzen im Sommer sehen wir eher als kontraproduktiv und kostenintensiv, denn das eigentliche Problem wird dadurch nicht gelöst.

Nach wie vor gilt unser Motto: Grüne Vielfalt ist Segen für die Umwelt und Lebensqualität für den Menschen!

Zum Marktplatz gehört auch der Verkehr drum herum:
Es ist an der Zeit, die von Ihnen, Herr Rein, prognostizierte Verkehrswende einzuläuten. Den Anfang könnte die Sperrung der Rheinstraße vom Kugelbrunnen bis zum Café Rheinblick und vom Gutgesellentorplatz bis zum Marktplatz an Samstagen, Sonn- und Feiertagen machen. Die Aufenthaltsqualität in diesem Bereich würde sich enorm erhöhen, das Flanieren entspannter machen und den Cafés eine gemütlichere Atmosphäre verleihen. Gleichzeitig können sich die zahlreichen Besucher*innen davon überzeugen, dass zu Fuß jedes Geschäft innerhalb kürzester Zeit von den Parkplätzen rund um die autofreie Innenstadt erreicht werden kann, was wiederum dem Einzelhandel zugutekäme.

Zum Abschluss:
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Bürgermeister Rein, Herrn Beigeordneten Carsten Müller, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Sie alle haben in diesem schwierigen Jahr ihr Bestes gegeben. Wir möchten uns hier auch ganz ausdrücklich bei Ihnen, Herr Stadtkämmerer Martin Müller, bedanken. Ihre Arbeit sehen wir als einen wichtigen und verlässlichen Eckpfeiler in den städtischen Finanzangelegenheiten, die uns nicht nur im nächsten Jahr sicherlich sehr beschäftigen werden. Unsere Zusammenarbeit haben wir als informativ, wertschätzend und konstruktiv erlebt.
Allen ehrenamtlich Tätigen, die sich zum Wohle der Gemeinschaft und für die Stadt eingesetzt haben, möchten wir ebenso herzlich danken.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmt dem Haushalt für das Jahr 2020 einschließlich dem Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs „Stadtbau Breisach am Rhein“, dem Spitalfond und dem Wirtschaftsplan für das Wasserwerk 2020 zu.

Fraktionsvorsitzender August Wagner

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